Dezember 10, 2025

Scene-Referred Workflow (szenenbezogener Workflow) ist das Herzstück des modernen Darktable und unterscheidet es massiv von Programmen wie Lightroom oder älteren Darktable-Versionen.

1. Das Grundproblem: Display-Referred (Der alte Weg)

Früher (und in vielen anderen Programmen) wurde das Bild sehr früh in der Bearbeitungskette in den Farbraum des Bildschirms (meist sRGB oder AdobeRGB) gezwängt.

  • Das Problem: Kamerasensoren haben einen riesigen Dynamikumfang (sehr hell bis sehr dunkel). Bildschirme haben einen kleinen.
  • Wenn du das Bild zu früh auf den Bildschirm-Bereich „zusammenstauchst“ (Tone Mapping), verlierst du die physikalische Beziehung zum Licht. Helle Lichter (Sonne, Lampen) werden einfach bei „Weiß“ (Wert 1.0 oder 255) abgeschnitten (Clipping).
  • Operationen wie „Belichtung erhöhen“ oder „Weichzeichnen“ sehen dann oft künstlich aus, weil die echten Lichtinformationen fehlen.

2. Die Lösung: Scene-Referred (Der neue Weg)

Im Scene-Referred Workflow behandelt Darktable die Pixelwerte so lange wie möglich als physikalische Lichtwerte.

  • Unbegrenzter Raum: Es gibt keine Obergrenze bei „Weiß“. Ein Pixel kann den Wert 1.0 (Weiß), aber auch 10.0 oder 100.0 haben (viel heller als Weiß, z.B. die Sonne).
  • Physik: Module wie Belichtung, Farbkalibrierung oder Filmic RGB / Sigmoid arbeiten linear. Das heißt, wenn du die Belichtung verdoppelst, verdoppelt sich einfach der Zahlenwert. Das entspricht exakt dem, was passiert, wenn du in der Realität das Licht heller machst.
  • Spätes Tone Mapping: Erst ganz am Ende der „Pixelpipe“ (Bearbeitungskette) wird das Bild für deinen Monitor „übersetzt“. Das machen Module wie Filmic RGB oder Sigmoid. Sie nehmen diesen riesigen Dynamikumfang und quetschen ihn elegant in den Bereich, den dein Monitor anzeigen kann.

Warum ist das für dich wichtig?

  1. HDR-Handling: Du kannst Lichter retten, die im alten Workflow einfach ausgebrannt wären, weil die Information „heller als Weiß“ erhalten bleibt, bis AgX (Filmic oder Sigmoid) sie wieder sichtbar macht.
  2. Natürlichere Farben: Da die Farben physikalisch korrekt gemischt werden, gibt es weniger seltsame Farbverschiebungen (z.B. wird ein blauer Himmel beim Abdunkeln nicht plötzlich grau oder lila).
  3. Reihenfolge der Module: In Darktable ist die Reihenfolge fest vorgegeben (von unten nach oben).
    • Unten (Raw): Physikalische Korrekturen (Belichtung, Weißabgleich).
    • Mitte: Kreative Anpassungen.
    • Oben: Transformation auf den Bildschirm (Filmic/Sigmoid).

Kurzanleitung für den Workflow

Wenn du ein RAW öffnest, macht Darktable im modernen Modus folgendes automatisch:

  1. Belichtung: Hebt die Helligkeit an, damit die Mitten (das Hauptmotiv) korrekt belichtet sind. Die Lichter dürfen dabei ruhig ausbrennen (Werte über 1.0 haben).
  2. Farbkalibrierung: Kümmert sich um den Weißabgleich (CAT).
  3. AgX (Filmic RGB oder Sigmoid): Das ist der „Kompressor“. Er holt die ausgebrannten Lichter (Werte > 1.0) zurück und sorgt dafür, dass das Schwarz knackig ist.

Dein Job:
Du stellst im Modul Belichtung nur die Helligkeit deines Hauptmotivs ein. Ignoriere, ob der Himmel ausbrennt. Das reparierst du danach im AgX (Filmic RGB oder Sigmoid) Modul (dort „White Point“ oder „Recovery“ anpassen).

Zusammengefasst: Scene-Referred simuliert echtes Licht bis zum allerletzten Moment, während Display-Referred so tut, als wäre das Bild schon ein fertiges Foto auf Papier.